Hampden Park Glasgow – Schottlands Nationalstadion

Stadionbesichtigungen sind eine zweischneidige Angelegenheit. Man kommt in Bereiche, die einem an Spieltagen verschlossen bleiben. Man kann einen Fuß auf den heiligen Rasen setzen, auf der Auswechselbank Platz nehmen, kostenlos den VIP-Bereich betreten (wenn auch ohne Essen) und die Stadionarchitektur in ihrer reinsten Form genießen. Und doch sind Stadiontouren nur die halbe Wahrheit. Es fehlt die Athmosphäre, es fehlen die Gerüche und Geräusche und natürlich auch das Geschehen auf dem Rasen – ganz gleich wie schlecht es manchmal sein mag. Je größer oder mythischer ein Stadion, umso größer fällt der Kontrast auf. Das galt auch für meinen Besuch in Schottlands Fußballheiligtum, dem Hampden Park in Glasgow.

Hampden Park – da denkt man an ein brodelndes, blau-weißes Menschenmeer. Stolze, wettergegerbte schottische Werftarbeitergesichter (naja jedenfalls vor 50 Jahren). Urgewaltige Fangesänge, die eine bis zum Umfallen kämpfende Nationalmannschaft nach vorne treiben. Zu oft auf unglücklichste Weise enttäuschte Hoffnungen auf einen Sieg gegen den Erzrivalen aus dem Süden.

Hampden Park bei einer Stadionbesichtigung: kein Menschenmeer, sondern gähnend leere Tribünen. Auf dem Rasen kein beinharter schottischer Verteidiger, der seinen englischen Gegenspieler ins Seitenaus tritt – stattdessen hüpfen nur einige Vögel über den Rasen und picken nach Regenwürmern. Statt dieses stadionspezifischen Aromas aus Schweiß, Alkohol und Zigarettenrauch riecht man nur den leichten Duft des frisch gemähten Grases und vielleicht noch das penetrante Parfüm einer Frau, die von ihrem Mann genötigt wurde, ihn bei der Stadiontour zu begleiten. Die einzigen vernehmbaren Rufe ertönen nicht aus tausenden rauhen Kehlen, sondern gehen zwischen zwei Technikern hin und her, die auf der Pressetribüne ein neues Kabel verlegen.

Trotz allem – der Hampden Park ist selbstverständlich auch ohne Spielspektakel ein überaus beeindruckendes Stadion. Mehrfach umgebaut, zu den Commonwealth Games 2014 sogar vorübergehend mit einer Laufbahn ausgestattet. Mythische Heimstatt der schottischen Nationalmannschaft und Heimstadion des FC Queen’s Park – des einzigen Amateurvereins im schottischen Profifußball und „Erfinder“ von Torlatte, Freistoß und Halbzeit. Der Hampden Park ist auch für den deutschen Fußball ein geschichtsträchtiges Stadion. Hier stand Eintracht Frankfurt 1960 beim epischen 3:7 zwischen gegen Real Madrid als erstes deutsches Team in einem europäischen Finale, hier gewann der BVB gegen Liverpool 1966 als erste deutsche Mannschaft einen Europapokal, hier holten die Bayern 1976 ihren dritten Landesmeisterpokal in Serie, hier wurde Bayer Leverkusen 2002 gegen Real Madrid nach verlorenem Champions League Finale endgültig zu Vizekusen.

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